SpongeForum – unser SpongeBob-Forum

Interview:Santiago Ziesmer

Aus SpongePedia
Wechseln zu: Navigation, Suche

Im Sommer 2011 hatten wir die Gelegenheit, mit Santiago Ziesmer ein Interview zu führen. Santiago Ziesmer ist der deutsche Synchronsprecher von SpongeBob Schwammkopf und auch abseits der Serie eine echte Institution im Bereich Synchronisation und Schauspiel. Für unsere Fragen hat er sich sehr viel Zeit genommen, wie man den nachfolgenden drei Teilen entnehmen kann.

Teil 1

SpongePedia: Lieber Santiago, vielleicht kannst du den jungen SpongeBob-Fans, die sich vielleicht gar nichts darunter vorstellen können, was es bedeutet „SpongeBobs deutsche Stimme“ zu sein, kurz erklären, wie deine Arbeit eigentlich aussieht und was du genau machst.

Santiago: Ich arbeite als Synchronsprecher! Ich leihe meine Stimme einer Figur, aber keinen realen, sondern einer gezeichneten – einer sogenannten Trickfigur, die von mir eine Trickstimme bekommt. Das heißt, ich spreche nicht mit meiner normalen Stimme, sondern mit einer sogenannten Chargenstimme. (im SpongeBob-Slang) „Nicht, das ist also, wenn ich die Stimme verstelle und so und da bin ich da nun die Figur [er lacht wie SpongeBob]!“ – und das nennt man dann eine Charge! Und damit bin ich dann in einem großen Tonstudio. Da gibt es einen Regisseur, einen Tonmeister, einen Cutter – beziehungsweise eine Cutterin – und die passen alle auf, dass ich ordentlich arbeite. Der eine, sprich der Regisseur, ist dafür zuständig, dass ich die richtigen Texte spreche und dass ich die Texte auch so spiele, wie sie für die Situation gebraucht werden. Der Tonmeister achtet auf die Tonqualität, also Lautstärke oder Undeutlichkeiten, und die Cutterin kontrolliert, dass die Sprache zu den Lippenbewegungen passt; in SpongeBobs Fall zu den gezeichneten Mundbewegungen.

Bei der Aufzeichnung bin ich vor einem Pult, auf dem ich den deutschen Text in einem Textbuch habe, stehe vor dem Mikrofon und habe eine Leinwand oder einen Monitor vor mir, auf dem die Filmsequenzen ablaufen. Die einzelnen kurzen Teile eines Films nennt man dann einen Take. Take für Take wird dann die ganze Folge oder der ganze Film synchronisiert, wobei das so ist, dass ich zunächst den Originalton höre, damit ich weiß, was die Figuren im Original gemacht und gesprochen haben. Dann wird der Originalton ausgeschaltet, die Szene erneut gezeigt und dann die deutsche Version aufgenommen, mit meiner Stimme.

SpongePedia: Seit nun beinahe zehn Jahren bist du die deutsche Synchronstimme von SpongeBob. Durch deine markante Stimme hast du der Figur zweifelsohne mit zu ihrem Ruhm verholfen. Wie kam es aber dazu, dass ausgerechnet du ausgewählt wurdest, ihn zu sprechen? Gab es ein Casting, also einen Wettbewerb um die Rolle?

Santiago: Ja, es gab ein Casting. Und zwar kein normales, es war schon ein riesengroßes! Einfach, weil die Serie damals in den USA schon mit großem Erfolg angelaufen war und die Erwartungen in Deutschland sehr, sehr hoch waren – man wusste, dass das ein „Megading“ aus Amerika war und wollte das auch möglichst gut und adäquat und passend besetzen. Also möglichst nah am Original, damit sich der Erfolg hier in Deutschland auch einstellt. Dann haben sie in Deutschland – und zwar nicht nur hier in Berlin (Anmerkung: Heimatstadt von Santiago), sondern in mehreren Städten – eine Riesen-Casting-Aktion gestartet. Und alles, was gut und teuer war und überhaupt jemals Zeichentrick gesprochen hatte, ist bei diesem Casting für die einzelnen Figuren dabei gewesen. Der Auftrag für die Synchronisation war beim Studio „Deutsche Synchron“ gelandet, die das Ganze unter ihre Fittiche genommen hatte – und ich denke mal, die haben eine sehr, sehr gute Besetzung zusammengestellt! Wobei die Deutsche Synchron natürlich nur die Besetzungsvorschläge gemacht hat. Die endgültige Entscheidung über die Besetzung hat dann die Redaktion des Fernsehsenders getroffen.

Das Witzige war, dass ich ja bereits zuvor für Zeichentrick- und Comedyproduktionen gesprochen hatte und man beim Casting gar nicht so glücklich mit meiner Stimme war. Die Verantwortlichen wollten eine möglichst unbekannte Stimme haben, die aber nah an das Original herankommt. Also dachte man: „Mensch, der Santiago Ziesmer aus Berlin hat ja schon Steve Urkel in der Serie „Alle unter einem Dach“ gesprochen, mehrere Jahre lang, und war damit relativ bekannt …“ – man kannte die Stimme also schon von einer anderen Rolle. Das war ihnen erst gar nicht so recht! Letztendlich haben sie sich dann aber doch für mich entschieden, weil offensichtlich meine Stimmcharge am dichtesten am Original dran war. Also haben wir losgelegt und es war dann auch bei uns in Deutschland von Anfang an ein Riesenerfolg – toi, toi, toi! Wobei ich denke, dass das an der ganzen „Truppe“ liegt, da alle Hauptrollen sehr, sehr treffend besetzt sind – letztendlich ist es ein Erfolg des gesamten Teams.

SpongePedia: Wie du gerade meintest, war der gelbe Schwamm, der zusammen mit anderen Meerestieren in einer Ananas unter Wasser lebt, für das Nickelodeon-Studio ein großer Erfolg – aber auch ein neues Level an Skurrilität! Kannst du dich daran erinnern, wie du SpongeBob und seine Freunde fandest, als du dich zum ersten Mal näher mit der Serie beschäftigt hast?

Santiago: Ja! Ich muss zugeben, es gab eine Eingewöhnungsphase. Ich will ganz ehrlich sagen: ich konnte am Anfang nicht allzu viel damit anfangen. Ich denke aber, das ist vielen so gegangen. Und wer nur mal ganz kurz reingeschaut hat, hat dann vielleicht auch gleich weitergeschaltet und dachte: „Da kann ich nichts mit anfangen!“. Ich weiß noch, als ich von meinem ersten Castingtermin kam und zu Hause erzählte, was ich gemacht hatte: Ja, ich hatte ein Probesprechen, was war denn das; ich glaube, das war ein Käse, ja … so ein gelber Käse mit Löchern! Dann dachte ich: Nee, Moment! Das war kein Käse! Irgendwie unter Wasser mit einer Ananas … Aber irgendwie konnte ich das noch nicht zuordnen und bin dann wieder über den Namen gestolpert – SpongeBob. Ein Schwamm natürlich, das ist ein Unterwasserschwamm! Aber wie gesagt, das hat eine Eingewöhnungsphase gebraucht, bis man sich an die ganzen Figuren und die ganzen Skurrilitäten, wie z. B. die Hausschnecke, die miaut, – eine tolle Idee übrigens – gewöhnt hatte. Es war für uns Sprecher gewöhnungsbedürftig, und ich denke, für die Zuschauer sicher auch. Wenn man sich dann aber damit angefreundet hatte, ist man „hängengeblieben“.

SpongePedia: Du bist seit Jahrzehnten als Fernsehschaffender aktiv. Hast du zu Beginn deiner Arbeit an SpongeBob bereits geahnt, dass die Serie einen solchen Erfolg feiern und dich so lange begleiten wird?

Santiago: Nein – das hatte aber auch vom ganzen Team keiner gedacht. Wir haben gewusst, dass es etwas Besonderes war – vor allem durch die Skurrilität und die offensichtlichen Unterschiede zu anderen Zeichentrickserien. Ob es allerdings den Erfolg haben würde, zu dem es sich dann tatsächlich entwickelte, dahingehend waren wir uns überhaupt nicht sicher. Wir haben uns bemüht, das Beste zu geben und mit aller Ernsthaftigkeit die Arbeit anzugehen, trotz des Spaßes. Schlussendlich war es ein Zusammenspiel aus einer guten Vorlage, tollen Texten in der Übersetzung und einem Regisseur, der sich in die einzelnen Figuren hineinversetzte. Und natürlich, dass jeder Sprecher seine eigene Ausdrucks- und Sprechweise und seinen eigenen Sprachduktus beisteuerte. Ich denke, es kamen wirklich viele Faktoren zusammen, die das dann zum Erfolg gemacht haben – und das war absolut nicht vorhersehbar.

SpongePedia: Auch nach zwölf Jahren ist die Serie in den USA noch sehr erfolgreich, der Nachschub an Staffeln und Episoden ist also gesichert. Möchtest du pünktlich mit 65 in Rente gehen oder dürfen wir uns sicher sein, dass du der Serie so lange treu bleiben wirst, wie irgendwie möglich?

Santiago: Aber mit Nachdruck! Ich hänge sehr an der Serie und der Figur und möchte das so lange machen, wie es neue Folgen gibt. Und wenn nicht irgendetwas Unvorhersehbares passiert, dann spreche ich den Schwamm auch noch mit 70 oder 75. Versprochen!

SpongePedia: Im Zweifelsfall erinnern wir dich daran!

Santiago: (lacht) Nehmt mich beim Wort!

Teil 2

SpongePedia: Fans der Serie „Die Simpsons“ sind in regelmäßigem Abstand erzürnt über die deutsche Synchronisation einzelner Episoden und Folgen, wenn zu sehr vom Originalwortlaut abgewichen und Gags abgewandelt werden. Wie stehst du, natürlich auch im Bezug auf SpongeBob, zu dieser Thematik? Ist es die Aufgabe der Synchronisation, das Ausgangsmaterial möglichst exakt wiederzugeben oder es, unter Beachtung kultureller und gesellschaftlicher Umstände, frei zu übertragen und gegebenenfalls sogar zu verbessern?

Santiago: Ich denke, diese Freiräume müssen wir haben und die sollten wir uns selbst auch lassen. Man sollte natürlich nicht gegen das Original arbeiten, es verfälschen oder denunzieren – das wäre schlecht. Aber einen Freiraum in der künstlerischen Interpretation müssen wir haben. Man kann nicht immer alles eins zu eins übersetzen, das wäre wahrscheinlich todlangweilig und würde die Lebendigkeit und die Kreativität nehmen. Freiräume müssen wir haben, wobei wir uns natürlich immer bemühen, dem Original, sei es aus dem Englischen oder Französischen, eine Entsprechung zu geben. Ich glaube, diese Freiräume sind wichtig für die Arbeit im Studio – dafür würde ich in jedem Fall plädieren.

SpongePedia: In welchem Turnus wird die Synchronisation angefertigt? Werden immer mehrere Episoden auf einmal vertont? Sind immer alle Sprecher einer entsprechenden Episode gleichzeitig im Studio oder werden die Stimmen mitunter auch erst im Anschluss zusammengemixt?

Santiago: Das ist unterschiedlich. Das fängt schon an mit dem Turnus der Aufnahmen, denn wir haben keine regelmäßigen Abstände, sodass man sagen könnte: „Alle vier Wochen oder alle zwei Monate gehen wir ins Studio!“. Die Deutsche Synchron meldet sich bei mir, wenn wieder drei, vier, fünf neue Folgen verfügbar sind und ein Termin absehbar ist. Natürlich mit dem entsprechenden Vorlauf, damit ich auch frei und verfügbar bin. Dann wird geschaut, ob die einzelnen Kollegen alle da sein können. Ist das der Fall, versuchen wir natürlich, die ganzen Dialogszenen gemeinsam aufzuzeichnen, was leider nicht immer möglich ist. So passiert es natürlich, dass wir für bestimmte Folgen oder für bestimmte Szenen die Figuren an verschiedenen Tagen einzeln aufnehmen müssen. Das ist das sogenannte „x“-en. Das heißt, eine Rolle wird rausge„x“t und wird alleine auf einer Tonspur aufgenommen. Der andere Sprecher, bzw. die andere Sprecherin wird dann an einem anderen Tag auf einer anderen Tonspur aufgenommen und beides anschließend zusammengesetzt. Wenn es zeitlich möglich ist, bemühen wir uns aber immer, gemeinsam im Studio zu sein, damit wir die Szenen zusammen aufnehmen können – weil man natürlich Töne und Betonungen vom Partner abnimmt. Es wirkt immer lebendiger, als wenn man das alleine macht.

SpongePedia: Kaum einer muss sich mehr mit Text und Inhalt der einzelnen Episoden beschäftigen als du. Viele Fans sind der Meinung, dass der Humor der neueren Staffeln kindlicher, weniger zweideutig und damit für Erwachsene in geringerem Maße interessant ist. Würdest du dem zustimmen? Wenn ja, handelt es sich dabei um eine absichtliche Änderung des Grundkonzepts oder kannst du persönlich eine qualitative Veränderung mit der Zeit feststellen?

Santiago: Mhm … bedingt. Ich sehe das nicht so deutlich. Dass sich natürlich Veränderung einschleichen, ist zwangsläufig. Natürlich versucht man, dass sich die Geschichten nicht immer wiederholen und dass neue Ideen umgesetzt werden, trotzdem müssen sich die Charaktere natürlich treu bleiben. Zu den Texten: wir hatten ja von Anfang an ein und denselben Texter, der die Texte macht, das heißt, es bleibt da alles in einer Hand. Wenn sich die Vorlagen natürlich verändern, die wir im Original aus Amerika bekommen, und sich dort schon Sachen verschieben, wird sich das natürlich auch in der deutschen Fassung bemerkbar machen. Bis jetzt habe ich aber schon das Gefühl, dass die zweite Ebene, mit kleinen Zweideutigkeiten, durchaus noch vorhanden ist. Und das machen wir im Studio ja auch ganz bewusst.

Nun ist eine Veränderung eingetreten, insofern, dass die Regie nicht mehr in der Hand von Matthias Müntefering ist, damit ergeben sich natürlich kleine Veränderungen, weil jeder Regisseur eine andere Handschrift hat und eine eigene Sprache. Wir bemühen uns, dass wir unseren Figuren treu bleiben – und das klappt auch ganz gut. Mit dem anderen Regisseur, der ja auch der Autor, bzw. Texter ist, werden sich natürlich schon kleine Verschiebungen und Veränderungen ergeben. Das ist zwangsläufig so, wenn einer der „Hauptleute“, sprich der Regisseur, der eben teilweise auch die Textänderungen im Studio gemacht und auch Begriffe und Worte geprägt hat, nicht mehr dabei ist. Das ist leider so.

SpongePedia: Du synchronisierst bekannterweise nicht nur SpongeBob, sondern wurdest in Deutschland auch als Stimme von Steve Urkel und von Ferkel aus Winnie Puuh bekannt. Schwebt dir für die Zukunft noch eine Traumrolle vor, die du unbedingt sprechen möchtest?

Santiago: Also ich hoffe, ich kriege noch ganz viele Traumrollen! Ich habe keine bestimmte Traumrolle vor Augen. Das ist ja ganz oft die Frage im Theater, dass man sagt, wenn jemand viel Theater gespielt hat: „Welche Rolle willst du noch mal spielen? Willst du noch mal König Lear spielen oder Puck aus „Im Sommernachtstraum“?“ Für mich ist eigentlich immer die Rolle, die ich gerade habe, meine Lieblingsrolle. Das ist ganz praktisch, weil ich mich in der dann natürlich wohlfühle. Ich hoffe natürlich, dass noch viele schöne Traumrollen kommen, aber es gibt keine, die ich jetzt mit Namen benennen könnte, wo ich sagen könnte: „Das will ich jetzt noch mal machen!“. Ich lass das auf mich zukommen und da auch gerne überraschen.

SpongePedia: Als Synchronsprecher für den Hauptcharakter liegt es natürlich auch in deiner Macht, den Charakter von SpongeBob in gewisse Richtungen zu beeinflussen, zum Beispiel durch eine immer wiederkehrende Art zu lachen einen Wiedererkennungswert in bestimmten Situationen zu erzeugen. Inwieweit hast du dort freie Hand bzw. wird dir das von den Übersetzern oder anderen Mitarbeitern vorgegeben, wie du SpongeBobs Stimme einzusetzen hast?

Santiago: Also wie gesagt, die Richtlinie ist für uns ja eigentlich immer das Original. Und dann arbeiten wir natürlich im Team, das heißt, im Klartext, dass der Regisseur und wir Kollegen uns untereinander verständigen. Und wir haben, Gott sei Dank, von der Regie den Freiraum, dass wir erst einmal ausprobieren und anbieten können, wie zum Beispiel bei den Lautmalereien oder den „Lachgeschichten“, gerade bei SpongeBob. Das letzte Wort hat natürlich immer der Regisseur, aber der lässt mir erst mal freie Hand, ich kann ihm zunächst verschiedene Sachen anbieten. Und wenn wir dann eine Sache getroffen haben, die dem Regisseur so auch gefällt und das Original ausreichend bedient, dann verständigen wir uns darauf und bleiben auch dabei. Aber es ist nicht so, dass ich eine genaue Vorgabe bekomme, sondern ich habe schon Spielraum, mich auch auszuprobieren und etwas anzubieten. Ich denke, das ist ganz wichtig.

SpongePedia: Was in der Hinsicht natürlich sehr bekannt ist, ist das Lachen. War das dein Vorschlag oder hat man da ein bisschen rumexperimentiert?

Santiago: Na ja, wir haben, wie gesagt, natürlich erst mal versucht, das Original zu bedienen und es ist ja rauszuhören, dass das Lachen dort gepitcht [Anmerkung: „Pitchen“ bedeutet, die Tonhöhe zu beugen] und aneinandergeschnitten ist [Santiago imitiert das Lachen aus dem Original]. Mein persönlicher Ehrgeiz war es dann, das organisch zu machen, das heißt, dass man es nicht zusammenschneidet, sondern dass ich das wirklich, mit einem Atemzug, durchmache [er lacht wie SpongeBob]. Also aus dem Bauch heraus, mit dem Zwerchfell, weil es dann einfach ein bisschen lebendiger wirkt. So ist dann diese Lache entstanden, die wir für SpongeBob gefunden haben und eben auch einen hohen Wiedererkennungswert hat.

SpongePedia: Hast du auch inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten oder ein Mitspracherecht bei der Umsetzung der Synchronbücher oder richtest du dich immer fest nach deinem Text?

Santiago: Begrenzt. Wir Schauspieler sind ja nicht entmündigt, sondern wir können auch in jedem Fall immer erst mal, wenn Sachen unverständlich sind, nachfragen: „Ist das jetzt so gemeint oder warum sagt er jetzt das?“. Und wir machen durchaus auch Vorschläge, obwohl wir natürlich die Übersetzung im Buch haben und dort schon eine feste Fassung steht. Wir haben immer die Möglichkeit, dem Regisseur zu sagen: „Mensch, wäre das nicht schöner, kann man das nicht auch so sagen, wollen wir den Satz nicht einfach rumdrehen, ist das nicht passender?“. Wir sprechen dann darüber – und wie gesagt, das letzte Wort hat immer der Regisseur, die letzte Entscheidung muss ja immer in einer Hand bleiben. Aber wir haben da durchaus die Möglichkeit, uns kreativ einzubringen – und das machen wir auch. Oft ist es dann auch so, dass der Regisseur sagt: „Mensch, da hast du Recht, ist ’ne gute Idee, machen wir so!" – oder er sagt: „Nee, lass mal lieber, machen wir’s lieber so, wie’s im Buch steht, das passt doch besser.“ Denn der Regisseur hat ja immer den Gesamtüberblick, bei den Sprechern ist ja meist jeder nur auf seine Rolle fixiert – was ja auch richtig ist.

Teil 3

SpongePedia: Schaust du selbst gerne SpongeBob-Episoden an? Wenn ja, hast du Lieblingsepisoden?

Santiago: Ha, ha, ich guck die sehr gerne an! Ich habe viel Freude daran, ich muss aber ganz ehrlich gestehen, dass ich viel zu selten dazu komme. Zu den Zeiten, zu denen es im TV läuft, kann ich überhaupt nicht, ganz, ganz selten oder guck mal eben nur für ein paar Minuten rein. Ich habe aber liebe Menschen, Familie, Freunde, die mir natürlich immer die DVDs zukommen lassen. Und so habe ich wirklich die Möglichkeit, wenn ich dann mal ein bisschen Freizeit habe, die ganz in Ruhe zu schauen. Und es macht mir dann irrsinnigen Spaß. Wie gesagt, ich bin nicht immer auf dem Laufenden und sehe sie auch nicht chronologisch (wobei das wohl auch gar nicht ginge, weil zwischendurch ja immer die Wiederholungen laufen). Und es macht mir, wie gesagt, immer sehr viel Spaß, weil es natürlich ein anderes Erlebnis ist, wenn man eine Folge am Stück guckt, als immer nur einzelne Ausschnitte im Studio. Es macht mir nach wie vor sehr, sehr viel Spaß.

Lieblingsfolgen … mhm … also … mhm. Die Folge in der Steinzeit fand ich sehr witzig [„SpongeBob in der Steinzeit“], auch die Folge, in der SpongeBob am Strand vom Riss in der Hose gesungen hat [„Der Riss in der Hose“]. Oder die Folge, in der Mr. Krabs nicht zum Jugendtreffen gehen kann und SpongeBob ihn doubelt [„Harte Schale, weicher Kern“]. Dann eine der neueren Folgen, mit der kratzbürstigen Seite von SpongeBob, wo er wie ein Haushaltsschwamm eine gelbe und grüne Seite hat [„Die kratzbürstige Seite“] – die fand ich als Idee auch hübsch. Ich habe jetzt bestimmt ein paar tolle Folgen vergessen, die mir spontan nicht einfallen. Eine absolute Lieblingsfolge habe ich jetzt nicht, es gibt immer einzelne Szenen, an die ich mich erinnere, die ich sehr lustig fand. Zum Beispiel auch die eine Folge, in der Patrick schon den ganzen Mund mit Schokolade verschmiert hat und dann auch SpongeBob noch seinen wegnimmt und sagt: „Hey, du hast meinen Schokoriegel gestohlen!“ [„Ganoven“]. Da erinnere ich mich dann an einzelne Bilder oder einzelne Sequenzen, bei denen wir im Studio sehr gelacht haben. Oder auch die Folge, in der er vergessen hat, Gary zu füttern, er dann abhaut und bei einer Oma landet – wo SpongeBob immer ruft: „Gary, Gary“ [„Haben Sie diese Schnecke gesehen?“]. Da habe ich nur nicht verstanden, warum sie das wunderschöne Lied von einem Sänger haben singen lassen, denn das ist ja ein ganz persönlicher Song, den hätte eigentlich SpongeBob singen müssen.

SpongePedia: Den durftest du nicht singen?

Santiago: Nee, den haben sie im Studio eingespielt, mit einem Sänger. Das war ein richtig schönes, sentimentales Lied, und das hätte natürlich SpongeBob singen müssen. Diese Sachen werden in den oberen Etagen entschieden, da habe ich dann keinen Einfluss darauf.

SpongePedia: Das ist ja merkwürdig, vor allem ja auch, weil du selbst auf den Musikalben zu hören bist …

Santiago: Ja! Genau wie auch bei anderen Songs in den Folgen, in denen er singt, auch mit Patrick und den anderen. Die haben wir ja alle mit dem deutschen Text selbst eingesungen.

SpongePedia: War das das einzige Mal, dass du „ersetzt“ wurdest?

Santiago: Nun, ich weiß nicht mal, ob ich wirklich „ersetzt“ wurde. Ich weiß nicht, wie es im Original war, ob es da SpongeBob gesungen hat oder ob es da auch jemand anderen gab, dann haben sie das natürlich übernommen. Nur habe ich es beim Anschauen so empfunden, dass es schöner gewesen wäre, wenn der SpongeBob das selber gesungen hätte, weil er ja direkt Gary angesprochen hat. Das Lied ist ja auch in der Ich-Form – das konnte ich also wirklich nicht nachvollziehen und ich kann mich nicht erinnern, ob es im Original der SpongeBob-Sprecher gesungen hat oder ob sie da auch einen Dritten hinzugezogen und eine Sängerstimme genommen haben [Anmerkung: tatsächlich wurde „Gary komm heim!“ im Original vom Interpreten Mark „Stew“ Stewart gesungen, der auch den Text geschrieben hatte. Der Interpret des deutschen Textes ist unbekannt].

SpongePedia: Wie intensiv setzt du dich persönlich mit den englischen Originalepisoden auseinander, bevor die deutsche Synchronisation abgewickelt wird?

Santiago: Also, ich muss ganz ehrlich zugeben: wie man das bei Filmen macht, alsodass man sich zuvor den ganzen Film ansieht und dann ins Studio geht – die Zeit haben wir gar nicht. Das heißt, wir gehen ins Studio und springen direkt in die Episoden rein. Die sind ja immer recht überschaubar und wir haben natürlich im deutschen Text- und Dialogbuch vorne auch eine Zusammenfassung, die man auf einer Seite durchlesen kann, damit man weiß, worum es geht. Und dann schauen wir die einzelnen Takes im Original an – wir hören ja immer erst mal das Original – bevor wir dann eben, wie gesagt, unsere deutsche Version einsprechen. Aber die Zeit, uns wirklich die ganzen Episoden zuvor im Original anzugucken, haben wir leider nicht. Wie gesagt, bei großen Kinofilmen findet davor eine Vorstellung statt, bei diesen Serien, noch dazu, wenn man sie schon länger macht und mit den Figuren vertraut ist, ist das nicht üblich – leider.

SpongePedia: Hast du durch deine Arbeit als SpongeBobs Stimme einige Marotten oder Ticks des gelben Schwammes (absichtlich oder zufällig) in deinem täglichen Verhalten übernommen?

Santiago: Nun, ich würde den Spieß umdrehen! Ich würde sagen, es ist umgekehrt, der SpongeBob hat schon sehr viel von mir. Ich will ihn ja authentisch machen und obwohl ich ihn immer in der Charge spreche [spricht wie SpongeBob], steckt in ihm eine ganze Menge Santiago drin. Und dann kann es natürlich umgekehrt passieren, dass, wenn ich mich mit jemandem unterhalte oder lache, plötzlich … [lacht wie SpongeBob]. Aber wie gesagt, das hat etwas damit zu tun, dass SpongeBob viel von mir hat, von mir privat. Zwar eben immer in der Charge, aber wie gesagt: das hat sich aus dem Bauch heraus entwickelt, ist ein Teil von mir, der da drinsteckt und der kann natürlich immer mal wieder, in anderen privaten Bereichen, wenn ich irgendwo unterwegs bin, mich unterhalte, spreche, durchbrechen. Ich denke, dass der SpongeBob eine Menge von mir hat und so habe ich umgekehrt auch viel von ihm – aber ich war eher da!

SpongePedia: Hast du für das „Lagerfeuerlied-Lied“ mehrere Anläufe gebraucht, bis du es so schnell …

Santiago: Jaaa! Ganz viele! Am Anfang habe ich gedacht: „Das schaffe ich nicht, das schaffe ich nie.“ Und dann haben wir überlegt, ob wir das pitchen, ich es also etwas langsamer und tiefer aufnehme und man es dann wieder „hochpitcht“, also wieder schneller macht. Aber dann wäre auch die Stimme verändert, deswegen konnten wir das auch nicht machen. Ich habe mich am Anfang dann wirklich etliche Male verheddert. Aber das ist, wie mit so vielen Sachen – wenn man’s erst mal in der Schnauze hat, dann läuft’s. Du musst dir den Text drechseln und weichkauen im Mund, dann geht das. Das hat ein bisschen Zeit und Mühe gekostet, auf jeden Fall. Aber es war natürlich auch ein Riesenspaß.

SpongePedia: Kannst du dich an Episoden erinnern, bei denen die Synchronisationsarbeiten besonders viel Spaß bereitet haben?

Santiago: Also, das klingt jetzt ein bisschen abgedroschen und wie eine Phrase, aber es macht eigentlich immer viel Spaß. Es ist manchmal ein bisschen anstrengend, wenn SpongeBob sehr viel „babbelt“ und sehr viele lange Textpassagen hat und sehr schnell spricht, geht das natürlich auf die Konzentration. Aber grundsätzlich freue ich mich auf jeden Tag, den ich mit SpongeBob im Atelier verbringen darf und ich freue mich auf die Kollegen, weil wir mit den Geschichten und den Figuren einfach irrsinnig viel Spaß haben. Das hat wahrscheinlich auch ein bisschen was damit zu tun, dass wir das immer nur ein paar Tage machen und dann erholt man sich auch wieder. Ich weiß nicht, wie das jetzt wäre, wenn wir nun drei oder vier Wochen jeden Tag SpongeBob am Stück machen würden. Dann würde wahrscheinlich auch irgendwann so ein Punkt kommen, wo es einen dann nervt und man sagt, jetzt ist’s „too much“. Aber so, da es immer relativ überschaubar ist und es immer nur drei, vier Tage sind, macht es immer einen Riesenspaß. Ich könnte jetzt gar nicht sagen, dass irgendeine Episode besonders lustig war. Wie gesagt, ich erinnere mich an einzelne Sequenzen, Szenen, wo wir tierisch gelacht haben – und wenn wir mehrere Anläufe nehmen mussten, weil wir immer wieder gelacht haben. Wir haben eigentlich immer eine gute Stimmung im Studio und ich denke, der Spaßfaktor, bei aller Ernsthaftigkeit, bei aller Professionalität, ist bei so einer Serie ganz, ganz wichtig. Wenn wir das nicht mit Freude und Spaß machen, überträgt sich das nachher und dann kommen die Figuren nicht rüber.

SpongePedia: Das waren auch schon unsere Fragen!

Santiago: Nein, ach, hör auf!

SpongePedia: Es ist leider schon vorbei …

Santiago: Ich dachte, jetzt kommt noch ’ne Seite!

Namensräume

Varianten
Aktionen
Navigation
SpongePedia
SpongeBob
Werkzeuge